Rosenzweigs Gedichte


VorFrühling

Ein Hauch des Frühlings schon,

Wohl mitten in eisiger Zeit,

Stielt sich in mein Erwachen

Und macht das Herz mir weit.

 

Der frohen Ahnung Klang

Schwingt sinnend durch mein Gemüt

Und webt aus dem Erstaunen

Ein sehnsuchtsvolles Lied.

 

Noch ganz im Schoß der Nacht –

Sanft träumend vom Blütenduft –

Atmet mit frohem Erinnern

Die Seele Morgenluft.

 

Wenn dann der Tag anbricht,

Von Wundern herrlich erfüllt,

Gib mir nur ein‘s von ihnen,

Das zärtlich mich umhüllt

 

Nekrolog für alle, die unbekannt und unerkannt              Licht in die Welt trugen

 Du warst so voller bunter Blätter,

 Voll lebensfroher Poesie.

 Du tanztest nackt bei jedem Wetter

 Auf Hügeln deiner Phantasie.

 

 Die Welten, die du überflogen,

 Erblühten mehr von Mal zu Mal.

 Du rittest auf dem Regenbogen

 Und bautest Brücken ohne Zahl.

 

 Du hast in tiefster Nacht gesungen

 Den glockenklaren Lobgesang.

 Du bist in Sphären eingedrungen,

 Wo nie zuvor ein Lied erklang.

 

 Du brachtest Leichtigkeit den Tagen,

 die schwer und unerträglich sind.

 Du konntest unbeschwert noch fragen

 Als alter Mann und dennoch Kind.

 

Als du den letzten Weg genommen,

 den letzten Atemzug getan,

 stand still die Zeit und stumm beklommen,

 als hielte sie den Atem an.

 

Choral 1983

 (Erster Mai 1983)

 Lass uns Friedenslieder singen

 Wo man Kriege führt.

 Lass uns Trost und Hoffnung bringen

 Wo die  Not regiert.

 

Lass uns gute Worte finden

 Wo das Unrecht  lärmt.

 Lass ein Feuer uns entzünden,

 Das die Herzen wärmt.

 

Lass uns deine Weisung sehen

 Nimm uns an die Hand.

 Lass auf deinem Weg uns­­ gehen

 in verdorrtem Land.

 

 Gib uns Kraft, dein Licht zu tragen

 durch die dunkle Nacht

 Und den Mut dein Wort zu sagen

 Wider alle Macht.

 

Frühlingslied für eine Liebende

 Hommage á Joseph Freiherr von Eichendorff

 

 Hab‘ ein Frühlingslied vernommen,

 Weiß nicht, wer es sang,

 Und der Seele ward beklommen

 Als der letzte Ton verklang.

 

Winter war‘s als es geschehen –

 Starr in mir die Welt.

 Zu der Sehnsucht rauem Wehen

 Hatte Schwermut sich gesellt.

 

Mochte nie mehr mich erheben

Von der Lagerstatt.

Wollte tot sein, schon im Leben,

Dessen Mühen übersatt.

 

Doch nun schwingt die glockenklare

Zarte Melodie

Mir durchs Herz auf´s Wunderbare

Und ich lebe auf, wie nie.

 

Kam sie aus des Himmels Weiten,

Wo nicht Tag noch Nacht,

Aus dem Jenseits aller Zeiten,

Haben Engel sie erdacht?

 

Oder findet sich auf Erden

Ihres Ursprungs Quell?

Soll mir noch ein Frühjahr werden?

Wird es wieder um mich hell?

 

Hab‘ das Frühlingslied vernommen,

Weiß nun, wie es klingt,

Will zurück ins Leben kommen,

Um zu sehen, WER es singt.

 

An den Flüssen Babylons

 Gib dunklen Tagen wieder Helligkeit

und einsamen Nächten Ahnung

von der alles erlösenden Kraft

des morgendlichen Lichts.

 

Den dumpfen Ahnungen nimm ihre Macht

und lähmendes Sinnen wandle

in Gedanken voller Trost

in hoffnungsfroher Zeit.

 

Lass verstummen den Klang der Traurigkeit

in den Liedern erlebten Seins.

Tränke mit Wasser des Lebens uns,

auf dem Weg zur Heimat,

 in DIR.

 

Als die Liebe kam

Als die Liebe kam

lag ein Singen in der Luft,

wie von fernen Engelschören

und ein überirdisch süßer Duft.

 

Als die Liebe kam

blühten Träume ohne Zahl,

konnte nichts ihr Werden stören

gab es weder Berg noch tiefes Tal.

 

Als die Liebe kam

grünten alle Wüsten auf,

schwiegen Stürme, ruhten Meere.

Stille stand die Zeit in ihrem Lauf.

 

Als die Liebe kam,

war die Nacht dem Tag so fern,

wie die Leichtigkeit der Schwere

und am Himmel stand ein neuer Stern.

 

Augenblick und Ewigkeit

Ein AUGENBLICK berauschte

Sich an Frühlingsblütenduft

Und warf mit vollen Händen

Sehnsuchtsvolle Träume in die Luft.

 

Ein paar davon erhaschte

Die EWIGKEIT mit sanftem Griff

Und wob sich draus ein Segel

Für der Hoffnung wundersames Schiff.

 

Der Liebe Lauf

Wirf nicht aus

Netze der Hoffnung

und Fallen der Sehnsucht

stelle nicht auf:

die Liebe zu binden

und  gefangen zu führen.

 

Sie nimmt ihren Lauf

auf Bahnen des Lichts

und Schatten ist ihr geheimer Ort.

Sie trägt die Krone, die ewig ist,

geformt aus glücklicher Träume Staub

und schenkt sich ergiebig denen,

die ihrer würdig sind.

 

Wirf nicht aus

Netze der Hoffnung

und Fallen der Sehnsucht

stelle nicht auf:

die Liebe zu binden

und  gefangen zu führen.

 

Auf den leuchtenden Höhen der Nacht,

in des Tages dunklen Tälern,

auf den Wellen tosender Zeit

und des Himmels unendlicher Stille

wird sie dich finden

und zärtlich berühren.

 

Sonett

Wer möchte schon die Liebenden beneiden

in ihrem Wähnen, Träumen, Sehnen, Bangen,

dem leidenschaftlich Fiebern und Verlangen

dem nie und nimmer voneinander scheiden.

 

Wer wollte nicht den Augenblick vermeiden,

da letzte Hoffnungslieder still verklangen,

in dem man inne wird: es ist vergangen,

in dem sich Lebenslust verkehrt in Leiden.

 

Ach das doch dann ein kleiner Hauch nur bliebe

von dem, was Flügel gab und Kraft, zu schweben,

den nichts und niemand aus dem Herz mir triebe,

 

ein ferner Klang von frohgemutem Leben,

ein vager Trost, ein zarter Schimmer Liebe

und Kraft, wo ich versagt, mir zu vergeben.